Vorlesungsmitschrift zur Einführung des Herren Magisters Cuban Lethal. Anführend sei erwähnt das dieser Text nicht als Alternative zur Vorlesung dienlich macht, da verschieden organisatorische Anführungen folgten.
von Cuban Lethal.
Mit dieser Einführung, welche die erste unter allen ist, will ich euch einen hortativen, also anregenden, und nicht dozierenden Zugang zur Wissenschaft der Magie eröffnen. Dabei ist mir besonders eines wichtig: Die Wissenschaftlichkeit von Magie. Denn das, was man im gemeinen Volk über die magischen Künste, die artes magicae, hört, ist nichts weiter als unreflektiertes und damit unwissenschaftliches Gefasel über Intuition und Spekulation. Erst im Lichte der Wissenschaften wird die Magie zu einer wahren Kunst, zu einer ars vera. Und erst, wenn ihr die Magie wissenschaftlich erklärt und verstanden habt, erst dann könnt ihr euch auch an die intuitive sowie spekulative Magie anderer Völker, anderer Zauberkundiger wagen. Erklären und Verstehen – das sind zwei grundlegende, fundamentale Begriffe in der Wissenschaft. Beides könnt ihr nur mit Hilfe der Wissenschaften. Und noch ein drittes müsst ihr: Legitimieren. Legitimieren vor anderen, legitimieren aber auch vor euch selbst und vor allem vor den Göttern.
Denn wie schon ein weiser Erzmagier sagte: ‚Die Magie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit!‘ Nicht nur, dass ihr als angehende Magier selbstständig tätig seid, was euch in die Position bringt zu erklären, zu verstehen und zu legitimieren, nein, auch die magische Tradition ist insofern tätig, als ihr sie miteinander diskutiert, sie euch Denkanstöße, Streit- und Kritikpunkt liefert, Fragen beantwortet – obwohl dies in den seltensten Fällen geschieht – Fragen stellt und Antworten hinterfragt.
Ihr sollt dieses ungeheure Potential an Gemeinsamkeiten, aber auch an Widersprüchen in der Wissenschaft der Magie nachvollziehen lernen, indem ihr einigen der besten Magier bei ihrer Tätigkeit und ihrem Wirken, in erster Linier dem Nachdenken, dem Schreiben und dem Reden, erst später dann auch der praktischen Anwendung, sozusagen über die Schulter blickt. Da jedoch in eurer Ausbildung niemals Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann, so wie dies überhaupt alleine den Göttern vorbehalten bleibt, bleibt es auch euch überlassen, bei Leerstellen mitzudenken und sie euch argumentierend und insbesondere weiterlesend auszufüllen.
Was ist nun aber Magie? Was sie sei und vor allem was sie wert sei, ist umstritten. Man erwartet von ihr oftmals außerordentliche Aufschlüsse oder lässt sie als gegenstandsloses Denken weniger Auserwählter gleichgültig beiseite. Man sieht sie mit Scheu als das bedeutende Bemühen ungewöhnlicher Menschen oder verachtet sie als überflüssiges Laster. Man hält sie für eine Sache, die jedermann und jederfrau angeht, da sie ganz Tare durchströmt, und daher im Grunde einfach und verstehbar sein müsse, oder man hält sie für so schwierig, dass es hoffnungslos sei, sich mit ihr zu beschäftigen. Was unter dem Namen der Magie auftritt, liefert in der Tat Beispiele für so Entgegengesetzte Beurteilungen.
Für den gemeinen Menschen ist das Schlimmste, dass die Magie gar keine allgemeingültigen Ergebnisse hat, die man nachzuprüfen imstande wäre, etwas, das alle wissen und damit besitzen können. Während andere Wissenschaften auf ihren Gebieten gewisse und allgemein anerkannte Erkenntnisse gewonnen haben, hat die Wissenschaft der Magie trotz der Bemühungen eines Arlin Sturmfels und vieler anderer ihren Status als Geheim-, als Pseudo- oder gar als verbotene Wissenschaft nie ganz ablegen können.
Und dennoch: Der Magie ist nicht zu entrinnen! Es fragt sich nur, ob sie bewusst wird oder nicht, ob sie gut oder schlecht, verworren oder klar wird. Und genau dies ist und bleibt Aufgabe der Wissenschaft der Magie.“
Nachdem wir nun geklärt haben, was und wozu Magie bzw. die Wissenschaft der Magie ist, kommen wir nun zu den magiohermetischen Terminologien. Diese sind allesamt nachzulesen in dem Werk mit ebenjenem Titel, herausgegeben und publiziert von der Academia zu Draconis. Und unter ‚Nachlesen‘ versteht man im wissenschaftlichen Bereich das Studieren! Das heißt, dass mir ein jeder von euch diese Terminologien in- und auswendig kann.
Doch bevor ihr euch daran macht euch mit dieser überaus interessanten Materie zu beschäftigen, noch einige Grundbegriffe der wissenschaftlichen Terminologie.
Ad primum wäre da die Hypothese zu nennen. Eine hypothesis ist eine Annahme, welche sich auf noch nicht untersuchte Fakten bezieht, korrigierbar sein sollte, eine implikative Form aufzuweisen, also eine ‚wenn-dann‘-Beziehung darzustellen hat, eine gewisse Allgemeingültigkeit haben sollte sowie gehaltvoll sein muss.
Ad secundum gibt es ein Gesetz, immer gemeint ein wissenschaftliches Gesetz. Dieses sollte schon eine größere Wahrheitsnähe aufweisen als die Hypothese, universell und ebenfalls gehaltvoll sein, eine implikative Form aufweisen, sich bereits bewährt haben, trotzdem falsifizierbar sein, eine systematische Form haben und sich auf objektive Sachverhalte beziehen.
Und schlussendlich et ad tertium: eine Theorie. Dies ist ein System von Gesetzen und Hypothesen, das jedoch keine inneren Widersprüche enthalten darf, dessen Axiome, also Grundannahmen, voneinander unabhängig sein müssen und das semantisch geschlossen sein muss, ergo einem Gegenstandsbereich der Forschung angehören muss.
Nebenbei möchte ich auch kurz die Metatheorien erwähnt wissen, welche Theorien über Theorien sind.
„Was ihr also in dem Werk ‚magiohermetische Terminologien‘ finden werdet sind definitiones aus dem Bereich der Magia. Es gibt jedoch einige wichtige Bedingungen für korrekte Definitionen, die ihr wissen solltet:
Primo: Die definitio hat die Bedeutung des zu definierenden Begriffs wiederzugeben.
Secundo: Die definitio darf nicht zirkulär sein, d.h. das Definiendum, das zu definierende also, darf nicht im definiens vorkommen. (Beispiel: „Ein Haus ist ein Haus.“ wäre nach diesem Punkt ungültig.)
Tertio: Das definiendum muss durch das definiens ersetzbar sein, ohne dass sich im Kontext eine wesentliche Bedeutungsverschiebung ergibt – dies nennt man auch die Eliminierbarkeit. (Beispiel: „Haus“ kann durch „Komplex aus Wänden und einem Dach, der Schutz vor der Umwelt bietet“ ersetzt werden, ohne dass er Inhalt eines Textes, in dem das Wort „Haus“ vorkommt, sich verändert, demnach ist diese Bedingung erfüllt.)
Die wichtigsten Arten von Definitionen sind:
1. die explizite Definition – definiendum und definiens sind durch ein Definitionszeichen voneinander getrennt, z.B.: ‚A=B‘,
2. die implizite Definition – der zu definierende Ausdruck ist Teil eines Bedeutungserläuternden Satzes, z.B.: ‚Eine Norm ist entweder ein Verbot, ein Gebot oder eine Erlaubnis.‘,
3. die rekursive Definition – Definition durch Aufzählung, z.B.: ‚Die Menge Z bestehe aus 0, 1, 2, 3,…‘ Gerüstet mit diesem Hintergrundwissen könnt ihr euch fleißig an das Studium der magiohermetischen Terminologien machen.
Nur eines fehlt euch noch, nämlich die Fähigkeit zu argumentieren, Dispute zu führen; denn damit verbringt – und da spreche ich aus leidvoller Erfahrung – ein studierter Magus die meiste Zeit, mit dem diskutieren, disputieren und argumentieren, und das zumeist nicht einmal in Fachkreisen, sondern vor einem ungebildeten und uneinsichtigen Publikum. Darum seien euch hiermit noch die häufigsten Argumentationsfehler kundgetan, auf dass ihr sie vermeidet und bei euren Gesprächspartnern sogleich erkennen könnt:
1. Bloße Behauptung – eine bestimmte Position bloß darzulegen genügt nicht um andere davon zu überzeugen, Gründe müssen angeführt werden.
2. Petitio principii oder Zirkel – man setzt, meist stillschweigend, voraus, was man beweisen möchte, z.B.: Ein gewisser Magus möchte eine nicht an die Elementarherren glaubende Person davon überzeugen, Anhänger Ignis zu werden und damit an Ignis zu glauben und führt dabei die Glaubens- und Betvorschriften für Ignisgläubige an, so wäre dies ein unzulässiges Argument, denn auf jemanden, der nicht an Ignis glaubt, haben auch die Glaubens- und Betvorschriften für Ignisgläubige keine überzeugende Wirkung.
3. Unklare Konklusionen – schwierig ist es, der Argumentation von jemandem zu folgen, der seine Schlussfolgerungen nie ganz klar und eindeutig darlegt und seine Position immer wieder leicht ändert. Die Konsequenzen einer Position sind klar darzulegen, auch auf die Gefahr hin, dass sie dann leichter widerlegt werden können.
4. Bedeutungswechsel wichtiger Begriffe – problematisch ist es auch, in einer Diskussion einen Begriff in unterschiedlichen Bedeutungen zu verwenden.
5. Argumentum ad misericordiam – dabei handelt es sich um ein Argument, in dessen Prämissen Fakten angeführt werden, deren Schilderungen geeignet sind, Mitleid oder Sympathiegefühle hervorzurufen.
6. Tu quoque-Argument – ein Vorwurf gegen eine oder mehrere Personen soll dadurch entkräftet werden, dass man darauf verweist, dass ebenjener Vorwurf auch auf den Vorwerfenden bzw. andere Personen zutreffen könnte.
7. Argumentum ad baculum – es enthält in einer oder in mehreren Prämissen die Androhung von Gewalt, wobei es sich allerdings keinesfalls um physische Gewalt handeln muss.
8. Ad hominem-Argument – der Fehler liegt hierbei darin, dass man nicht Argumente gegen die Position einbringt, die ein Mensch vertritt, sondern gegen die Person, die diese Position erstmals vertreten hat.
Hierzu und zum Abschluss meiner Einführung noch ein Beispiel, eine Aussage eines Hochmagisters.
‚Wenn nicht die Magier auf den Inseln Könige werden oder die Könige und Herrscher echte und gute Magier und wenn nicht in eine Hand zusammenfallen politische Macht und Magie, und wenn nicht die Vielzahl derer, die sich heute aufgrund ihrer Anlage nur der einen der zwei Aufgaben widmen, mit Gewalt davon ferngehalten wird, gibt es kein Ende des Unglücks und der Ungerechtigkeit auf den Inseln, ja nicht einmal im ganzen Menschengeschlecht, und Unsere Verfassung, die Wir nun in Gedanken entworfen haben, wird nicht früher verwirklicht. Das ist das Wissen, welches mir zuteil wurde.‘
*Daneben steht ein Kommentar, der offenbar später eingefügt wurde* Studiosus, beachtet stets, dass ihr Diener des Königs seid. Mag es auch erscheinen, dass die Herrschenden unkluge Entscheidungen treffen, die ein Weiser besser treffen könnte, so sind die Herrscher doch von den Göttern gewählt und kein Weiser kann eine Entscheidung besser treffen, als die Götter.
Nun denn, Studiosi, macht euch an die Arbeit!